Gutachten: Leistungen und Kosten beim Weiterbetrieb von PV-Altanlagen

23.04.2020, Susanne Jung, Tobias Otto, Jörg Sutter, Dr. Markus Behnisch:

Download: Leistungen und Kosten beim Weiterbetrieb von PV-Altanlagen Kurzgutachten
 

 

Ergebnisse des Gutachtens – kurz zusammengefasst

Zum Ende 31.12.2020 läuft für PV-Anlagen, die bis 31.12.2000 in Betrieb gesetzt wurden, der 20-jährige Vergütungsanspruch nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz aus. Das trifft zunächst Anlagen mit einer Gesamtleistung von 114 MW. In den Folgejahren kommen immer mehr Anlagen hinzu. Ende 2027 werden nach aktueller Rechtslage für 4 GW Solarleistung keine festen Einspeisetarife mehr gewährt. Aus Gründen des Klima- und Ressourcenschutzes ist es dringend erforderlich, den Weiterbetrieb der Anlagen nach Förderende sicherzustellen.

Sollte es keine wirtschaftlich praktikable Anschlusslösung geben, droht die Stilllegung und der Abbau intakter Solartechnik.

Der Weiterbetrieb entspricht dem Willen von Anlagenbetreibern, die den ökologischen Nutzen ihrer Anlagen aufzeigen und anhand von Ertragsdaten darlegen, dass die<b> vorhandene Technik auch weiterhin ein leistungsfähiger Bestandteil einer solaren Energieversorgung</b> sein kann.

Nach aktueller Rechtslage bietet das EEG keine Möglichkeiten zum wirtschaftlichen Weiterbetrieb der Anlagen. Jede Kilowattstunde Strom, die in das öffentliche Netz eingespeist werden soll, muss nach dem Verfahren der „sonstigen Direktvermarktung“ veräußert werden. Ein pauschaler Anspruch auf Erstattung des Marktwertes für netzeingespeisten Strom ohne Direktvermarktung existiert nicht. Ebenso ist es nicht möglich, Reststrom ohne Bilanzierung, ohne Vertragspartner und ohne Vergütung in das öffentliche Netz zu speisen.

Im Kurzgutachten wird gezeigt, dass in den ersten Jahren zunächst kleine PV-Anlagen vom Ende des Förderzeitraums betroffen sein werden; zum 31.12.2020 sind 93 % der Ü20-Anlagen kleiner als 7 kWp. Die Mehrheit der Anlagenbetreiber wünscht, den erzeugten Strom vor Ort selbst zu verbrauchen. Um den Eigenverbrauch zu steigern, werden Zusatzinvestitionen in Speicher und Haustechnik sowie die Einbindung von Elektromobilität diskutiert. In einer Eigenversorgung (auch mit Speicher) kann jedoch praktisch nie der gesamte Strom der Solaranlage genutzt werden. Auch hier muss ein Teil des Stroms ins Netz eingespeist und damit direkt vermarktet werden.

Aus einer im November 2019 vom SFV bei Direktvermarktungsunternehmen durchgeführten Umfrage konnte abgeleitet werden, dass es trotz vorherrschendem Wunsch nach Anschlusslösungen kaum möglich ist, für Volleinspeiseanlagen und Eigenversorgungsanlagen bis 30 kWp wirtschaftlich sinnvolle Vermarktungsangebote anzubieten. Hohe Direktvermarktungs-Grundkosten werden durch geringe Entgelte je eingespeister Kilowattstunde nicht abgedeckt. Viele Unternehmen und Regionalversorger diskutieren deshalb über dringend notwendige gesetzliche Änderungen.

Ausgewertete Studien zeigen, dass der Wunsch nach Weiterbetrieb bei den Betreibern hoch ist, dabei jedoch einfache Umsetzungskonzepte angestrebt werden. Auch zusätzliche Investitionen (z.B. in Speicher) werden von der Mehrzahl der Betreiber in Erwägung gezogen. Jedoch zeigt sich, dass der Mehrzahl der Betreiber weder die Komplexität der verpflichtenden Vermarktung noch detaillierte Informationen zu den Kosten des Weiterbetriebs bekannt sind.

Fehlende Möglichkeiten zur Direktvermarktung, hohe Kosten für eine Umrüstung auf Eigenversorgung sowie die verpflichtende Zahlung der reduzierten EEG-Umlage für jede vor Ort selbst verbrauchte Kilowattstunde erhöhen die wirtschaftlichen Risiken eines Weiterbetriebs.

Alternativ zur Eigenversorgung wird von wenigen Anlagenbetreibern die direkte Stromweitergabe an Dritte diskutiert (P2P). Eine solche Option macht jedoch die Einhaltung umfangreicher regulatorischer Anforderungen notwendig, die von Betreibern von Kleinanlagen in aller Regel nicht zu leisten sind. Dazu gehören u.a. vertragliche Pflichten zur Erfüllung der Liefervereinbarungen als Energieversorgungsunternehmen und die Bilanzierung der veräußerten Strommengen. Darüber hinaus muss für jede an Dritte gelieferte Kilowattstunde Solarstrom die volle EEG-Umlage an den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) gezahlt werden. Auch eine gebündelte Vermarktung des PV-Stroms über Herkunftsnachweise bleibt nach derzeitigem Stand wirtschaftlich uninteressant.

Im vorliegenden Kurzgutachten wurde untersucht, ob unter den derzeit vorliegenden Randbedingungen ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb (z.B. als Eigenversorgungsanlage oder per Direktvermarktung) möglich ist.

Die vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen für verschiedene Weiterbetriebsoptionen belegen, dass für Anlagen bis 2 kWp aktuell keine wirtschaftlichen Optionen gegeben sind. Mit zunehmender Anlagengröße verringern sich die Vermarktungs- und Umrüstkosten pro erzeugter Kilowattstunde, so dass für Anlagen über 30 kWp eine Eigenversorgung und die Direktvermarktung prinzipiell wirtschaftlich darstellbar wären.

Die Autoren belegen, dass der wirtschaftliche Betrieb für eine beispielhafte 2 kWp-Anlage nur dann zu erreichen wäre, wenn

  1. eine weitere Voll-/Teileinspeisung in das Stromnetz ohne größeren technischen Umbau ermöglicht wird (Wegfall der messtechnischen Anforderungen der Direktvermarktung),
  2. für Ü20-PV-Anlagen die Erhebung der EEG-Umlage entfällt,
  3. der mittlerer Jahres-Börsenstrompreis (Marktwert Solar) für eingespeiste Solarstrommengen und
  4. zusätzlich ein Umweltbonus von mind. 2,5 Ct pro kWh bei Teileinspeisung und mind. 4,5 Ct/kWh bei Volleinspeisung ausbezahlt wird.

Diese vier, aus wirtschaftlicher Sicht notwendigen Aspekte decken sich auch mit den Wünschen der Anlagenbetreiber, die leicht umsetzbare, unbürokratische Weiterbetriebslösungen präferieren. Der Wegfall der messtechnischen Anforderungen sorgt für einen einfachen Weiterbetrieb, der Wegfall der EEG-Umlage vermeidet unnötige Bürokratie, die verpflichtende Zahlung einer Vergütung für netzeingespeisten Strom spiegelt den Wert für Umwelt und Gesellschaft wieder. Diese Punkte sichern den wirtschaftlichen Weiterbetrieb der Anlagen.

Diese vier Anforderungen könnten auf Grundlage der EU-Richtlinie Erneuerbare Energien 2018/2001 (EU-RL) in deutsches Recht umgesetzt werden. Die EU-RL weist die verpflichtende Abnahme des EE-Stroms, mindestens zum Marktwert, aus. Zusätzlich ist festgeschrieben, dass die Befreiung von Abgaben, Umlagen und bürokratischen Lasten für Eigen- und Drittverbrauchskonzepte bei Anlagenleistungen von mindestens 30 kWp und darüber hinaus umgesetzt werden muss. Die Änderungen müssen rasch erfolgen. Sollten Betreiber und Installateure keine Klarheit über Anschlussförderungen und notwendige Umrüstungen bekommen, droht die Abschaltung völlig intakter und für den Klima- und Ressourcenschutz wertvoller Solarstromanlagen bereits Ende diesen Jahres.

 

Hintergründe zum Gutachten

Im März 2020 wurde ein Gutachten veröffentlicht, dass der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) und juristischer Unterstützung der Rechtsanwaltskanzlei Gassner, Groth, Siederer und Kollegen (GGSC) erstellt hat. Auftraggeber des Gutachtens war das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL).

Gemeinsam wurde untersucht, ob die derzeitigen gesetzlichen Möglichkeiten zur Vermarktung und (teilweisen) Eigennutzung von Solarstrom aus PV-Altanlagen nach Ablauf der Vergütung hinreichend wären, um den Weiterbetrieb zu sichern. Dabei wurden die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten für einen Weiterbetrieb diskutiert und Forderungen an den Gesetzgeber formuliert.

Das Gutachten wurde auf Basis von Literaturrecherchen, Analysen, einer Online-Befragung bei Direktvermarktungsunternehmen und eigenen Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit durchgeführt. Der Auftraggeber – das KTBL – wählte mit uns und der DGS Auftragnehmer aus, die durch ihre praktischen Erfahrungen aus der Betreiberberatung, Bildungsarbeit und umfangreicher umfangreicher Branchenkontakte das Rüstzeug boten, verschiedene Direktvermarktungsangebote zu untersuchen und ihre Eignung als Lösung für den Weiterbetrieb von PV-Altanlagen zu diskutieren.

Betreiberthemen sind im SFV tief verwurzelt. Sie basieren auf dem Engagement für eine kostendeckende Einspeisevergütung (“kV”) für Solarstrom – lange vor dem bundesweiten Inkrafttreten des EEG. Viele solare Investitionen, für die zum 1.1.2021 keine Einspeisevergütung mehr beansprucht werden kann, wurden in den Jahren von 1995 – 2000 durch die kostendeckende Vergütung für Solarstrom des SFV initiiert. In mehr als 40 deutschen Städten wurde die als „Aachener Modell“ bekannte Förderung umgesetzt. Zu kommunalen und regionalen Akteuren der kV-Städte, Gemeinden und Landkreise pflegt der SFV noch heute intensive Kontakte. Einige Mitglieder des Vereins stammen aus diesen Anfangsjahren und unterstützen die Arbeit weiterhin.

Zur Abschätzung der Leistungsfähigkeit und zukünftiger Betriebskosten von PV-Altanlagen bei Auslauf der Vergütung konnte auf die umfängliche Ertragsdatenbank ( www.pv-ertraege.de) des SFV zurückgegriffen werden.

Die DGS setzt seit Mai 2019 ein Beratungsprojekt für Ü20-Anlagen unter dem Namen „PVLOTSE“ um. Das Ziel ist die Beratung von Anlagenbetreibern zur Weiterführung des Betriebs von PV-Anlagen nach Ende der EEG-Förderung.

Es ist aus Sicht des SFV und der DGS zwingend, Anschlusslösungen für PV-Altanlagen nach Ablauf der Vergütung zu diskutieren und zu entwickeln. Betreiber dieser Anlagen bestätigen das große Interesse am Weiterbetrieb der ausgeförderten PV-Anlagen. Bei einem anfänglichen Investitionsvolumen von bis zu 10.000 € je kWp wurden in den Anfangsjahren überwiegend Anlagen bis zu 7 kWp installiert. Solarpioniere, die vor über 20 Jahren in die noch junge und teure Solartechnik investiert hatten, sind heute zumeist nicht mehr im Berufsleben. Es ist deshalb empfehlenswert, die durch Vermarktungsangebote angeregte Risikobereitschaft der Akteure zu betrachten. Hierzu sollen die Ergebnisse der Studien der FH Bielefeld und der TH Köln diskutiert werden, bei deren fachlicher Erstellung der SFV unterstützend beigetragen hat.

Nach aktueller Rechtslage ist es für Betreiber ausgeförderter Anlagen zwingend, in das Verfahren der „sonstigen Direktvermarktung“ zu wechseln, um Strom weiterhin in das öffentliche Stromnetz speisen zu können. Eine ungeregelte Einspeisung ist nicht möglich. Der Wechsel in die sonstige Direktvermarktung wird nicht automatisch stattfinden; Anlagenbetreiber müssen aktiv werden und einen Letztverbraucher oder Vermarktungsunternehmen wählen, um den Strom anzubieten. Die Wahl des Strombezugskunden, die Erfassung der IST-Einspeisung, der Abgleich von Stromerzeugung und -verbrauch und die Abrechnung werden Anlagenbetreiber vor große organisatorische und wirtschaftliche Herausforderungen stellen. Ob es möglich ist, unterstützende Direktvermarktungsunternehmen zu finden und ob die Erlöse aus der Direktvermarktung geeignet wären, die weiterhin anfallenden jährlichen Betriebskosten zu decken, sollte Gegenstand unserer Untersuchungen sein.

Der SFV führte im November/Dezember 2019 aus diesem Grund eine Umfrage bei Direktvermarktungsunternehmenern durch, um über Angebote und Lösungsideen für den Weiterbetrieb der Ü20-Anlagen informiert zu werden. Die Ergebnisse bestätigen die Autor*innen in der Überzeugung, dass ein dringender gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Mit Hilfe des von der DGS bereitgestellten Wirtschaftlichkeitsprogramm PV@now werden auf Basis recherchierter Betriebskosten Anschlussvergütungen berechnet, die zwingend wären, um den betriebswirtschaftlichen Weiterbetrieb der Anlagen unter Betrachtung verschiedener Betriebsoptionen sicherzustellen. Aus diesen Ergebnissen ergeben sich Handlungsnotwendigkeiten des Gesetzgebers.
Quelle: www.sfv.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert